„Gender und Pflege: wie Herz und Seele oder wie Hemd und Kragen?“ – so lautete der Titel des Impulsvortrags von Dr. Alexia Zurkuhlen, Leiterin des gewi-Instituts für Gesundheitswirtschaft e. V. Der Genderblick auf die Pflege stand im Fokus der 3. Beiratssitzung des Projekts Agile Pflege. Nach wie vor ist die Genderthematik in den Köpfen der Beschäftigten und der Führungskräfte nicht ausreichend präsent, nicht nur in der Pflegebranche. In der aktuellen Situation hat dieses Thema nochmals eine besondere Bedeutung gewonnen, das Wiederaufleben traditioneller Rollenmuster muss aufgefangen und wieder rückgängig gemacht werden.

Die kollektive Vorstellungswelt (nicht nur) im Bereich der Pflege ist immer noch von Stereotypen geprägt. Pflegekräfte sind tough, sind immer für andere da und zur Stelle, wenn sie gebraucht werden – wie einst Florence Nightingale. Als männliche Pflegekraft ist man gefühlt „allein unter Frauen“, so ein Zitat aus dem Bericht eines Pflegers.

Frau Dr. Zurkuhlen zeigte auf, dass aktuell ein Paradigmenwechsel in der Pflege stattfindet, der unabhängig von der Genderdiskussion erfolgt, aber durchaus positive Auswirkungen haben kann. Dieser Paradigmenwechsel lautet: weg vom Bild der Assistenz, hin zum Management. Altenpflege umfasst eben nicht nur die eigentliche Pflege, sondern eine Vielfalt von Aspekten: Gesundheitsorganisation, Terminorganisation, Organisation bzw. Reorganisation des Haushalts, der Kontakte und vieles mehr. Pflegekräfte müssen andere Rollen einnehmen, auch z. B. in der Kommunikation mit Ärzt*innen und Institutionen. Dieser Paradigmenwechsel hin zu Managementaufgaben wird unweigerlich auch zu einem anderen Rollenverständnis bei Pflegenden und zu Verschiebung von tradierten „Machtverhältnissen“ führen. Das wird z. B. bereits in modernen Krankenhausserien im TV sichtbar.

In der anschließenden Diskussion wiesen die Beiratsmitglieder auf die Diskrepanz zwischen der Alten- und der Krankenpflege hin. Während sich der Paradigmenwechsel in der Krankenpflege durchaus schon auswirkt, interessiert selbst im Pflegestudium das Thema „Altenpflege“ nur wenige. Es wird darauf verwiesen, dass inzwischen der Männeranteil in der Pflege bei etwa 30 % liegt. Dieser Geschlechtermix ist sehr wertvoll im Pflegealltag, da so verschiedene Bedürfnisse angesprochen werden können. Die Problematik, dass Frauen nicht von Männern gepflegt werden wollen, ist inzwischen kaum noch vorhanden.

Aus Kooperationsunternehmen wird über die Strategien als Arbeitgeber berichtet, Männer für die Altenpflege zu interessieren. Familienfreundlichkeit, Kooperationen mit Kindergärten, eine hohe Anzahl an Auszubildenden, Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund, Weiterbildungsfreundlichkeit, all das sind Erfolgsfaktoren, die auch Männer ansprechen. Die Förderung von Mitarbeiter*innen nimmt einen breiten Rahmen ein, alle, die interessiert sind, werden gefördert, unabhängig vom Geschlecht oder auch vom Herkunftsland. Das spricht sich herum, Mund-zu-Mund-Propaganda spielt eine große Rolle.

Den Paradigmenwechsel zum Managementdenken erfolgreich zu unterstützen und parallel die Genderthematik positiv aufzugreifen – das ist eine der Herausforderungen des Projekts Agile Pflege. Gut, dass der Anteil der Männer in den Qualifizierungen in etwa dem Anteil der Beschäftigten in den Unternehmen entspricht – ein gutes Zeichen für die Akzeptanz der Qualifizierungsthemen, zugleich auch Ansporn, noch einmal genauer hinzuschauen.

Das Aufzeigen von Karrieremöglichkeiten in der Pflege, die Digitalisierung in der Pflege voranzutreiben, sektorenübergreifendes Denken fördern: diese Aufgaben sehen alle Beteiligten, Kooperationspartner und Projektteam, als Auftrag. Der Impulsvortrag und die anschließende lebhafte und zielgerichtete Diskussion haben dazu noch einmal neue Denkanstöße und Ideen für das weitere Vorgehen im Projekt Agile Pflege geliefert.